Medien und Migranten

Die Massenmedien üben eine meinungsbildende Machtwirkung aus. Sie haben enormen Einfluß auf das Denken, die Einstellungen und das Verhalten vieler Menschen. Sie wirken an der Gestaltung der politischen Streitkultur aktiv mit, indem sie durch die Auswahl ihrer Themen und die Art der Berichterstattung neue Wirklichkeiten schaffen. Aus diesen machtpolitischen Gründen sind sie als eine Art vierte Gewalt zu betrachten.

Das Bild der MigrantInnen in den Massenmedien
Über MigrantInnen in der BRD, die ihren Lebensmittelpunkt seit Jahrzehnten hier gefunden haben und auch auf Dauer hier leben wollen, berichten die deutschen Medien überwiegend genauso, wie sie über das Ausland berichten, nämlich nur in Ausnahmefällen, wenn sie spektakuläre und katastrophische Züge tragen. Viele Medienkritiker machen darauf aufmerksam, daß die Mehrzahl der Massenmedien mit breiter Streuung von Klischees, Streotypen, Vorurteilen und Feindbildern auf ethno- bzw. eurozentrischer Basis durchsetzt sind.

Bestimmte Gruppen (z.B. Türken, Muslime, usw.) gelten immer noch als „Fremde“, obwohl sie seit 40 Jahren hier leben. Wohingegen sind andere gerngesehene Gäste. Massenmedien differenzieren deutlich zwischen verschiedenen Gruppen. Ausländer, die sich als Sportler, Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer in der BRD aufhalten, werden akzeptiert und anerkannt. Anders fällt die Beurteilung aus, sofern Ausländer hier arbeiten oder Asyl suchen. Dieser Gegensatz ist insbesondere in den Lokalredaktionen und der Boulevardpresse ziemlich stark ausgeprägt. Hier wird das sog. „Ausländerproblem“ oft mit einer Gefährdung der inneren Sicherheit und angeblich drohender „Überfremdung“ bzw. „Übervölkerung“ in Verbindung gebracht. Über Ausländer erfährt man wenig Positives. Sie werden als weniger glaubwürdig angesehen. Ihre Sache gilt nur dann berichtenswert, wenn sie Probleme verursachen oder wenn sie als Bedrohung dargestellt werden können. Kriminalität, Gewalt, Mord, Raub, Asyl-oder Sozialhilfebetrug sind typische Delikte, über die ausführlich berichtet wird. MigrantInnen haben generell einen relativ schwierigen Zugang zu den Massenmedien. Und als Gestalter von Beiträgen und als Urheber von Informationen nur einen beschränkten Zugang. Die Darstellung von MigrantInnen beziehen sich überwiegend auf  kulturgeschichtliche und alltagskulturelle Bereiche, die von Einheimischen  für harmlos gehalten werden: Gastronomie, Sport, Folklore, Musik, Mode, Tourismus usw..

Kriminalisierung von MigrantInnen und Fremdenfeindlichkeit
Es gilt der Frage nachzugehen, ob ein Zusammenhang zwischen Kriminalisierung von MigrantInnen in den Massenmedien und Fremdenfeindlichkeit nachgewiesen werden kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß hier ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Bereits in Folge der Asyldiskussion zu Beginn der 90er Jahre wurde „Ausländerkriminalität“ zu einem beherschenden Thema in der Medienlandschaft. Im Lauf der Diskussion erreichten fremdenfeindliche Übergriffe im Jahr 1992 mit 2.584 rechtsradikalen Gewalttaten und 17 Nichtdeutschen Todesopfern bundesweit einen Höhepunkt. Damals wurden Flüchtlinge endgültig zu „Betrügern“  und „Sozialschmarotzern“ gestempelt, die den Wohlstand und das friedliche Zusammenleben in der BRD gefährden. In den Medien dominierten konservative und negative Argumentationsmuster. Durch die unreflektierte Verwendung der Schlüsselbegriffe wie z.B. „Volles Boot“ , „Scheinasylanten“ usw. haben die Massenmedien mit dazu beigetragen, bei bestimmten Risikogruppen Gewaltbereitschaft zu erzeugen bzw. Gewaltanwendung als notwendig und legitim erscheinen zu lassen. Die Erwartungen von Gewalttätern und Medien waren wechselseitig aufeinander bezogen. Denn für Rechtsextremisten, die ein Flüchtlingsheim oder eine türkische Familie überfallen haben, war das Medieninteresse und -echo oftmals wichtiger als der Gewaltakt selbst.

Es bedarf sicher einer eingehenden Untersuchung, ob Massenmedien in diesem Gesamtzusammenhang mehr Mittäter oder demokratisches Kontrollinstrument sind. Beides trifft zu. Medien machen Meinung und die öffentliche Meinung spiegelt sich in der Medienberichterstattung wieder. Mit Überschriften wie „Asylbetrüger und ihre miesen Tricks“ oder „Scheinehen- aus nichts als Geldgier“ wird mit Sicherheit Fremdenfeindlichkeit geschürt. Es ist sehr schwierig, öffentlichkeitswirksamen Schlagzeilen nach dem Muster „gefährlich fremd“ argumentativ zu begegnen. Es ist kaum interessant, daß derzeit die Ausländerzahlen bundesweit zurückgehen. Ganz  versteckt wird in den Zeitungen darauf hingewiesen. Wenn allerdings die Zahlen vor allem durch Fluchtbewegungen steigen, ist das „Boot“ schnell voll und es wird ein ordentlicher Medienrummel veranstaltet. Auch jetzt bei der aktuellen Diskussion über das Thema „doppelte Staatsbürgerschaft“ erfahren wir, wie schwer es ist, gegen die plakativen und populistischen Vorurteile argumentativ vorzugehen. Ganz offensichtlich fallen viele Bürger auf Stammtischparolen herein und wollen Stammtischparolen hören.

Viele JournalistInnen  machen sich bei ihrer Berichterstattung oft die Perspektive der staatlichen (insbesondere die der exekutiven) Gewalt zu eigen, indem sie als alleinige Grundlage für ihre Berichterstattung Polizeiberichte und Kriminalstatistiken zur Hand nehmen.

Deutsche und ausländische Kriminelle werden in den Medien sehr unterschiedlich gezeichnet. Bei der Beschreibung deutscher Täter bleibt der Personenschutz meist gewahrt, bei ausländischen Angeklagten dagegen wird deren fremdartiges Aussehen oftmals sehr genau beschrieben und auf mangelnde Sprachkenntnisse hingewiesen. Die Straftaten der ausländischen Kriminellen werden meist brutaler und drastischer dargestellt. Infolgedessen  werden MigrantInnen zusätzlich kriminalisiert. Und durch die Kriminalstatistik ohnehin schiefe Bild wird weiter verzerrt. Auf diese Weise kann sicher kein Beitrag zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit geleistet werden

Vorschläge für eine neue Medienpraxis
Es gibt genug Ansatzpunkte für antirassistische Strategien, Maßnahmen und Projekte im Medienbereich. Ich will hier nur auf die wesentlichen Aspekte eingehen: Im Zusammenhang mit der Kriminalisierung von MigrantInnen soll eine Zahl ganz besonders plakativ in den Medien dargestellt werden: 95,9 % der ausländischen Wohnbevölkerung in Bayern sind noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wie das Bayerische Landeskriminalamt analysiert hat. Diese 95,9 % haben einen Anspruch darauf, nicht kriminalisiert zu werden.

Statt über MigrantInnen sollte mehr mit MigrantInnen gesprochen werden. Was wir brauchen ist ein genaueres Bild der Ausländerwirklichkeit. Eine einfühlsame Darstellung, wie die Lebenswelt von MigrantInnen beschaffen ist, welche Werte, Orientierungen und Motive für sie eine Rolle spielen usw. kann der „Dämonisierung der Fremden“ entgegenwirken. Einer der effektivstens Beiträge der Medien gegen den Rassismus kann die häufige Hervorhebung der Vorteile von Zuwanderern für die Bundesrepublik, deren Wirtschaft, Kultur, Sport, und das System sozialer Sicherung sein. Einheimischen, die „Angst vor Fremden“ haben, können Medien vermitteln, daß es ihren eigenen Interessen keinesfalls widerspricht, wenn die Gleichheit realisiert wird.

Multikulturelle Programmangebote; mehr Informationen über andere Kulturen; Repräsentanz  von MitarbeiterInnen unterschiedlicher ethnischer Herkunft (aber nicht nur als Fachleute für Ausländerfragen, sondern auch als Menschen mit einem anderen Blick auf die deutsche Gesellschaft); Veränderung der innerbetrieblichen Strukturen; Sensibilität der Sprache u.ä.

Maßnahmen sind die notwendigen Schritte, um den schlimmen Auswüchse des Sensationsjournalismus bewußt entgegenzutreten. Durch die mediale Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtextremismus sowie die systematische Aufklärung über ihre Wurzeln, Ziele und Methoden wird es möglich sein, einer weiteren Vergiftung der politischen Kultur entgegenzuwirken.