Über den geistigen Nährboden des Rechtsextremismus

Der brutale Überfall auf einen griechischen Mitbürger im Schlachthofviertel zeigt: Auch München ist von rechter Gewalt betroffen. Diese Tat hat nochmals in erschreckender Weise dargelegt, welche Dimensionen der Rassismus in München erreichen kann.

Offener und latenter Rassismus werden in allen Lebensbereichen in unterschiedlichen Formen erlebt. Der Münchner Ausländerbeirat wird häufig mit Beschwerden wegen rassistischen oder rechtsextremistischen Vorfällen konfrontiert. Von allen in der Migrationsarbeit engagierten Vereinen, Initiativen und Personen werden ähnliche Vorkommnisse berichtet.

Der Ausländerbeirat selbst wurde (wird immer noch) Zeuge von Drohbriefen, Drohanrufen und Beschimpfungen an Informationsständen. In Briefen wird uns damit gedroht, dass ganze Stadtviertel „gegen Ausländer“ eingestellt seien und das wir „Ausländer“ uns anzupassen oder zu gehen hätten.Diese Briefe werden in der Regel anonym verfasst und in der Funktion als Vorsitzender direkt an meine Person gerichtet. Ich will aber an dieser Stelle meine Hauptthese vorausschicken: Die Verfasser dieser Briefe sind keine rechtsextremen Schläger, sie repräsentieren aber den geistigen Nährboden des Rechtsextremismus.Im Folgenden möchte ich exemplarisch aus solchen Briefen zitieren und ich denke, dass solche offene, verdeckte oder aber auch unausgesprochene, nur implizit zu erschließende Aussagen mit rassistischem Gehalt unter bestimmten Bedingungen wie soziale Verunsicherung bzw. Perspektivlosigkeit, in Taten und Tätlichkeiten münden können.

Hier ist eine kleine Auswahl:

Nach meinem ersten Interview in der SZ mit der Überschrift „Alle Gesellschaften sind multikulturell“ bekam ich folgenden Brief:

„13.05.1998, Herr C.N., ……Gerade Türken sind –Ausnahmen zugestanden- ein ungeheuer primitiver, rückständiger und gewalttätiger Menschenschlag. Ihre geistige Entwicklung ist, verglichen mit Europa, irgendwann im Mittelalter stehen geblieben. Sie hängen mit Inbrust einer Religion an, die per se jede aktive Auseinandersetzung mit den Problemen der Zeit verhindert…Ihr Türken schämt euch nicht, in ein fremdes Land einzudringen und dort zu versuchen, dieses Land quasi im Auftrag des Korans Schritt für Schritt zu destabilisieren. Ihr zeugt Kinder am Fließband, weil die dummen Aleman euch dafür auch noch eine Vögelprämie zahlen. Ihr bringt Rauschgift ins Land, weil ihr glaubt, damit Allahs Willen zu entsprechen, den Islam mit Feuer und Schwert –in diesem Fall mit Hilfe von Heroin- verbreiten zu können…Ich habe Türken nie gemocht –aus den oben genannten Gründen. Mittlerweile aber verachte ich euch, ja ich hasse euch! Ich werde mich täglich darum bemühen, immer mehr deutsche Mitbürger davon zu überzeugen, dass Türken aus Deutschland entfernt werden. Beim Slogan der Republikaner „Ausländer raus“ habe ich Probleme, weil ich Österreicher, Franzosen, Schweizer für sehr gewinnbringend halte. Meine Devise heißt: Türken raus! Islamisten raus!…Benehmt euch nicht wie Zecken, die es auf das Blut ihres Wirtstieres abgesehen haben, ohne irgendeine Gegenleistung zu bringen! Mit euch ist keine Symbiose möglich, da ihr in eine solche für beide Teile nützliche Beziehung nichts, aber auch gar nichts einzubringen habt. Alles was ihr könnt, ist Straßen zu reinigen, Autos zu waschen oder Tonnen zu leeren und: Straftaten zu begehen. Ihr tut alles, an unser sauer verdientes Geld heranzukommen, mit Vorliebe durch Raub, Erpressung, Diebstahl, Glücksspiel, Prostitution oder Drogenhandel. Etwas Anderes ist von euch weder vorgesehen noch zu erwarten –von 1-2 % Ausnahmen abgesehen…Ihr seid bei der Arbeitslosigkeit überproportional vertreten (rund 1 Mio. Türken!) und ebenso bei der Sozialhilfe. Ihr habt Geschäfte und Unternehmen bei uns gegründet, stellt aber keine deutschen ein! Ihr schleppt eure Verwandten hierher und lasst sie auf unsere Kosten behandeln! Ihr seid für Deutschland nur hinderlich, lästig, von Nachteil, ja sogar gefährlich. Deshalb kann die Lösung nur lauten: Schluss mit Aufnahme von Türken/Kurden, Schluss mit Bleiberecht, Schluss mit Sozialhilfe für Türken: Ab nach Hause! Ihr gehört nicht hierher. Ihr beutet uns aus, belügt uns, gefährdet unsere Jugend! Ihr seid unsere Feinde, nicht mehr, nicht weniger. Je frecher ihr euch aufführt, desto rascher folgt eine Lösung durch Gewalt! Noch sind wir die Mehrheit. Und bei der uns Deutschen eigenen Gründlichkeit ist nicht auszuschließen, dass wir euch dermaleinst gründlich entfernen. Die könntet ihr euch ersparen, wenn ihr möglichst bald und freiwillig dorthin zurückgeht, woher ihr gekommen seid: In die Steppen Anatoliens!!! Die Rechten sind in ganz Europa im Kommen…Ich sage Ihnen: das Maß ist voll und deswegen steigt der Haß auf Ausländer, besonders auf Türken. Deswegen: geht nach Hause, ehe es zu spät ist!“

Im Zusammenhang mit der Abschiebung eines straffällig gewordenen jugendlichen Ausländers, der in München geboren und aufgewachsen ist, habe ich folgenden Brief erhalten:

„(11.05.1998),Ich muss Sie schon mal fragen, ob Sie noch richtig im Kopf sind. Sie wollen es verhindern, dass ein solcher krimineller Hund nicht abgeschoben werden darf mit seinen Eltern, dann muss ich mich fragen, wer von uns verrückt ist, ich oder Sie Sauhund. Mit was für ein Recht kommen Sie dazu dies zu verhindern. Sie selbst sind wahrscheinlich nur geduldet in Deutschland. Es wird Zeit für solche Leute wie Sie, die Deutschland untergraben wollen, die Koffer zupacken solange noch Zeit für Sie ist und Deutschland zu verlassen. Wie gehen Sie den eigentlich mit den Steuergeldern der Bürger um, haben Sie denn eigentlich das Recht dafür für einen solchen kriminellen Sauhund. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag, wenn Sie schon wollen, dass solche Dreckshunde hier in Deutschland bleiben sollen, dann zahlen Sie für solche doch selbst und nicht von dem Geld der Steuerzahler, die Jahr und Tag in Ihre Arbeit laufen um solche Sauhunde zu unterstützen. Ich hoffe, dass das Volk wach wird oder ist es schon wach, ich glaube schon. Man sieht es ja schon an den Wahlen DVU. Ich kann Ihnen sagen, so kann es nicht mehr weiter gehen und so wird es auch nicht mehr weiter gehen…“

Nachdem der Ausländerbeirat gegen die sog. Schleierfahndung protestierte, schickte mir ein Familienvater (im Namen seiner Familie) folgenden kurzen Brief:

„ 22.12.1999, Herr C.N., wir verbitten uns jegliche Kritik und Beschimpfungen Ihrerseits an den Fahndungsmethoden der bayrischen Polizei. Noch gehört den Ausländern dieses Land nicht, obwohl es von wahnsinnigen deutschen Politiken gefördert wird. Sie haben sich daher anzupassen. Es wäre viel förderlicher, Ihre ausländischen „Mitbürger“ immer wieder aufzufordern, sich hierzulande als Gäste zu benehmen, für die wir Deutschen viel Geld zahlen und dann auch noch beschimpft werden. Durch einen Bekannten bei der Polizei kennen wir die ausufernde Ausländerkriminalität und können nur hoffen, dass uns die Polizei mit allen Mitteln schützt. Besser wäre es allerdings, wenn die große Mehrheit der Ausländer wieder nach Hause gingen. Wir Deutschen lassen uns auch nicht zu Millionen in der Türkei nieder und belasten die Kassen:“ 

Ein Bewohner aus Neuaubing-West beschwert sich bei mir schriftlich über den „Käfig mit einem exotischen Vogel“ auf dem Balkon seines ausländischen Nachbars mit folgenden Sätzen:

„21.07.2000, in unserer Siedlung Neuaubing-West war ordentlich zu wohnen, bis das Wohnungsamt der Stadt daran ging, die hier befindlichen Sozialwohnungen mit Ausländern vollzustopfen. Seither herrscht hier Krieg mit den wenigen, noch nicht vertriebenen Einheimischen.“

Eine Mitbürgerin beginnt in ihrem Brief mit einer Entschuldigung dafür, dass sie den Brief anonym schreibe und fügt hinzu „aber Sie werden verstehen, dass ich mich keinen Repressalien aussetzen möchte“. Anschließend versucht sie ihre ausländerfeindliche Haltung folgendermaßen zu begründen:

„ 21.07.2000, …Wir Deutschen haben etwas gegen die gottverdammten Schmarotzer, die hier ständig einreisen, sich vom Sozialamt bedienen lassen und das nicht gerade gering. Schauen Sie sich heute mal einen Sozialhilfeempfänger an, er geht nicht nur spazieren, er trägt teure Markenklamotten, die gesamte Wohnungseinrichtung wird bezahlt (Schlafzimmer-Möbel von Schlafzimmer STEPHAN oder Badmöbel von der Firma GIENGER, alles teuere Markenfirmen). Das alles schürt Hass, Hass gegen Ausländer!…Wenn Sie keine Augen zum Sehen und keine Ohren zum Hören haben, dann würde ich Ihnen raten, gehen Sie doch wieder zurück in Ihr Land, wo Sie herkommen! Dort können Sie viel Arbeit leisten, um Ihrem Volk zu helfen…“ 

Nachdem es bekannt gegeben wurde, dass couragierte türkische Jugendliche das Leben des oben genannten und überfallenen griechischen Mitbürger gerettet haben, habe ich auch wie andere den Vorschlag gemacht, diese Helfer mit der Medaille „München leuchtet“ zu ehren. Daraufhin bekam ich folgenden Brief mit einem „Gegenvorschlag“:

„16.01.2001, Sehr geehrter Herr N., ich kann nur hoffen, dass Sie Ihre Idee, die Medaille „München leuchtet“ an eine Horde Türken zu verleihen, nicht ernst meinen. Ist Ihnen klar, dass dies eine unverschämte Demütigung der bisherigen Inhaber und eine impertinente Geringschätzung dieser einmaligen Münchner Auszeichnung ist!? Sicher für Sie wohl schwer verständlich. Vorschlag: Spendieren Sie doch den „Rettern“ eine Flugkarte (aber bitte nur die Hinfahrt) in die Türkei, auf dass sie dort den „türkischen Nationalorden“ verliehen bekommen.“

Wie ich oben angemerkt habe, sind diese Menschen keine rechtsextremen Schläger. Sie repräsentieren aber den geistigen Nährboden, auf dem gewaltbereite Neonazis aufwachsen und direkt oder indirekt auf eine nicht zu unterschätzende Resonanz stoßen.

Auf diesem Nährboden entsteht auch ein Klima der Unsicherheit und Perspektivlosigkeit.

Solange diesem Nährboden mit glaubhaften und entschiedenen politischen, strafrechtlichen und erzieherischen Mitteln nicht begegnet wird, wird sich der seit zehn Jahren in Deutschland zu beobachtende Teufelskreis von rechter Gewalt, öffentlicher Empörung und geistiger Brandstiftung immer wieder wiederholen.