In München gibt es eine Vielzahl von Migrantenselbstorganisationen (ca. 400 Vereine, Initiativen und Gruppen, vgl. Vereinsverzeichnis des Ausländerbeirats München, Migrantinnen und Migranten in München, März 2007)
Bis weit in die achtziger Jahre fanden Migrantenselbstorganisationen in der Öffentlichkeit kaum eine nennenswerte Beachtung.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich in den letzten Jahren ein deutlich positiver Perspektivenwechsel zur Relevanz von Migrantenselbstorganisationen vollzogen.
In der Fachdiskussion der neunziger Jahre wurden die Leistungen der Migrantenfamilien ebenso wie die Relevanz der Migrantenselbsorganisationen für die Integration der Migranten hervorgehoben. Wesentliche Impulse, die zu diesem Perspektivenwechsel und einer anderen Wahrnehmung beitrugen, wurden durch den Sechsten Familienbericht Familien ausländischer Herkunft in Deutschland (BMFSFJ 2000) gegeben. Bedeutsam ist in diesem Bericht, dass Migration als Familienprojekt charakterisiert wird. Es wird u.a. ausgeführt, dass die sozialen Beziehungen unter Migranten eher verwandtschaftlich geprägt sind. So werden z.B. die besseren Sprachkenntnisse der Kinder und Enkel häufig zur Informationsbeschaffung und Kontaktaufnahme mit Behörden genutzt, während die älteren Migrantinnen und Migranten ihre Kinder bei der Kinderbetreuung unterstützen und somit deren Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern. Weiter wird skizziert, dass Migrantenselbstorganisationen einen erheblichen Beitrag zur individuellen und sozialen Orientierung ihrer Mitglieder in die Aufnahmegesellschaft und zur Durchsetzung kollektiver Minderheiteninteressen leisten. Hervorgehoben wird auch, dass die Migrantenselbstorganisationen vielfältige Angebote zur Befriedigung materieller, sozialer, religiöser und kultureller Bedürfnisse ihrer Mitglieder entwickeln.
Grundsätzlich wird zwischen Selbstorganisationen, die sich am Herkunftsland und solchen, die sich an der Aufnahmegesellschaft orientieren, unterschieden.
In herkunftslandorientierten Selbstorganisationen stehen die Politik, Kultur und Religion der Herkunftsländer im Mittelpunkt. Insbesondere für die erste Einwanderergeneration bilden diese Selbstorganisationen einen geschützten sozialen Raum, in dem Gelegenheiten für soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten bereitgestellt werden. Zudem sind diese Organisationen bzw. Gruppen für sie eine wichtige Adresse sozialer Anerkennung.
In aufnahmelandorientierten Selbstorganisationen organisieren sich insbesondere jüngere Migrantinnen und Migranten stärker, da die traditionellen Vereine ihrer Eltern für sie unattraktiv und unflexibel sind. Dazu zählen z.B. die seltenen jedoch eigenständigen Jugendverbände von Migrantenjugendlichen, die in wenigen Jugendringen vertreten sind.
Migrantenselbstorganisationen sind wichtiger Bestandteil einer solidarischen, zukunftsfähigen Bürgergesellschaft und ein unverzichtbarer Baustein von Integration. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation ist eine unabdingbare Voraussetzung, um in einer modernen demokratischen Gesellschaft anzukommen und zurechtzukommen. Die Etablierung der Migrantenselbstorganisationen darf nicht mit Skepsis betrachtet und als Gefährdung (Parallelgesellschaft!) angesehen werden, sondern als demokratische Form der Einbindung in die Zivilgesellschaft.