Ausbildungssituation ausländischer Jugendlicher

Die schulische und berufliche Integration der ausländischen Jugendlichen ist und bleibt eine große politische Aufgabe. Wie wichtig eine gute Schul- und Berufsbildung für ihre berufliche aber auch soziale Integration ist, braucht nicht besonders betont zu werden.

In der Vergangenheit hat es unverkennbar positive Entwicklungen in der Bildungsbeteiligung von ausländischen Jugendlichen gegeben. Die statistischen Daten zeigen jedoch, dass sich diese positive Entwicklungen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre nicht fortgesetzt haben. Der Abstand zwischen jungen Deutschen und jungen AusländerInnen ist seit Jahren gleich geblieben. Diese Daten zeigen, dass der Migrationshintergrund sich generell auf die Teilhabechancen in Bildung und Ausbildung negativ auswirkt.

In der Bildungsbeteiligung schneiden ausländische Jugendliche immer noch sehr schlecht ab. Im Berufsbildungsbereicht 2001 ist dokumentiert, dass sie im Vergleich zu jungen Deutschen:

  • mit 17 % weit häufiger die allgemeinbildende Schule ohne Abschluss verlassen (Deutsche: 9 %)
  • weit weniger mittlere oder höhere Schulabschlüsse erreichen (46 % gegenüber 67 %)
  • weit weniger an dualer Ausbildung teilnehmen – in den letzten Jahren sogar mit abnehmender Tendenz (38 % gegenüber 66 %)
  • rund viermal häufiger unter denen zu finden sind, die keinen Berufsabschluss erreichen ( 33 % gegenüber 8 %) – bei türkischen Jugendlichen liegt die Ungelerntenquote sogar mit ca. 40 % fünfmal höher

Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen (bis 24 Jahre im Arbeitsamtsbezirk München) belief sich Ende September 2001 auf 3.775, wovon 1.262 (=34,2 %) ausländischer Herkunft waren.

Zu der deutlich geringeren Ausbildungsbeteiligung kommt hinzu, dass das faktische Berufsspektrum der ausländischen Jugendlichen viel enger ist als das der deutschen Gleichaltrigen. Die Auszubildenden mit ausländischem Pass sind auf wenige Berufe konzentriert. Die Mädchen, deren Anteil unter den ausländischen Auszubildenden 1999 39,7 % betrug, finden am häufigsten als Friseurin (17 %), Arzt- bzw. Zahnarzthelferin (jeweils ca. 11 %) einen Ausbildungsplatz. Demgegenüber hatten nur 4,9 % der Auszubildenden in Büroberufen einen ausländischen Pass. Bei den Jungen sind es die Berufe des Kraftfahrzeugmechanikers (9 %), Malers und Lackierers (11 %) und des Gas und Wasserinstallateurs (11 %). Hingegen sind ausländische Auszubildende nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern z.B. auch bei den neuen IT- Berufen mit 3,3 % nur geringfügig vertreten (siehe Daten und Fakten zur Ausländersituation, Februar 2002).

Zur Erklärung dieser problematischen und zum Teil alarmierenden Zahlen lässt sich ein ganzes Ursachengeflecht anführen. In einem „Plädoyer gegen die strukturelle Benachteiligung von ausländischen Jugendlichen beim Übergang von der Schule in eine praktische Berufsausbildung“ nannte Burkhard Wilde von der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Bonn fünf Gründe:

  1. Schlechtere schulische Abschlüsse
  2. Chancenungleichheit bei der betrieblichen Personalauswahl
  3. Kriterien der Berufswahl ausländischer Jugendlicher
  4. Mehrfachbenachteiligungen ausländischer Mädchen
  5. Informationsdefizite bei ausländischen Jugendlichen und Eltern

Eine nachhaltige Verbesserung der Bildungssituation von ausländischen Jugendlichen erfordert einen umfassenden Ansatz. Für eine erfolgreiche Integration und die Nutzung von Bildungschancen ist die Beherrschung der deutschen Sprache unverzichtbar. Die Sprachkompetenz von AusländerInnen verbessern sich bei zunehmender Aufenthaltsdauer der Familien nicht automatisch. Bezogen auf den sprachdidaktischen Aspekt ist ein enger Zusammenhang zwischen der Kompetenz in der Erstsprache (Muttersprache) und den Möglichkeiten zum Erwerb der Zweitsprache (Deutsch) anzunehmen. Im Schulbereich soll der Deutsch- und Mutersprachlicher Unterricht verstärkt, der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung erleichtert und die Information- und Beratungsdienste für Bildung und Ausbildung weiter entwickelt werden.

Die allgemeinbildende Schule muss auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund die für die Berufsausbildung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Zur besseren Vorbereitung auf die Berufsausbildung gehören vor allem auch zielgruppenspezifische schulische Angebote. Schulen müssen sich möglichst früh um diejenigen Jugendlichen bemühen, bei denen Schwierigkeiten hinsichtlich der Aufnahme einer Berufsausbildung zu erwarten sind. Das sollte in Form von ausbildungsbezogenen Zusatzangeboten in und außerhalb des Unterrichts geschehen. Schulen können bei der Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich in ihrer gesamten Arbeit stärker öffnen. Angesichts der Bedeutung der Eltern während der Phase der Berufsorientierung und der Berufswahl sind eine Intensivierung sowie neue Wege der Elternarbeit unabdingbar.

Im Hinblick auf die angestrebte Steigerung der Ausbildungsbeteiligung von ausländischen Jugendlichen sollten die Betriebe und Unternehmen bei der Auswahl ihrer künftigen Auszubildenden die Fähigkeiten dieser Jugendlichen stärker berücksichtigen, die vielfach über interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit verfügen. Sprachliche Defizite können im betrieblichen Alltag und durch geeignete Fördermaßnahmen während der Ausbildung ausgeglichen werden. Betriebe in allen Größenordnungen und Branchen sowie öffentliche Arbeitgeber müssen ihre Ausbildungsleistungen in der dualen Berufsausbildung gegenüber ausländischen Jugendlichen nachhaltig verbessern. Dabei soll auch eine Erweiterung des Berufsspektrums bei der Ausbildung angestrebt werden. Die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben und Verwaltungen gegenüber ausländischen Jugendlichen kann auch über Verbundmaßnahmen, spezielle Unterstützungsmaßnahmen und innerbetrieblicher Vereinbarungen gesteigert werden. Betriebsinhaber mit Migrationshintergrund können das Ausbildungsplatzangebot erhöhen und zur Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt beitragen. Einen besonderen Schwerpunkt sollten die Maßnahmen bilden, um die Ausbildungschancen gerade von jugendlichen ohne Schulabschluss und mit erheblichen Lern- und Verhaltensproblemen zu verbessern.

In Maßnahmen zur Verbesserung der Bildungsbeteiligung der ausländischen Jugendlichen darf man nicht nur eine bedeutende integrationspolitische Aufgabe sehen, sondern zugleich auch eine wirtschaftspolitisch notwendige und sinnvolle Investition. Bei rückläufigen Geburtenzahlen gilt es, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland auch die Qualifikationspotentiale der ausländischen Jugendlichen in größtmöglichem Umfang zu erschließen. Alle Berufe und alle Wirtschaftsbereiche müssen sich gegenüber ausländischen Jugendlichen öffnen. Hier ist insbesondere der öffentliche Dienst gefordert, dem eine Vorreiterrolle zukommt. Was beim Übergang von Schule in Ausbildung versäumt wird, lässt sich später sehr schwer nachholen. Die gilt für alle Jugendliche aber insbesondere für ausländische.