Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland

Die neue Leipziger Studie „Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland“ wurde im Juni 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit 2002 wird an der Universität Leipzig die Verbreitung autoritärer und rechtsextremer politischer Einstellungen in Deutschland untersucht. In diesem Jahr wurde die Befragung zum achten Mal durchgeführt. Sie basiert auf bundesweiten Interviews von 2.420 Personen im Alter zwischen 14 und 93 Jahren, davon 503 in Ostdeutschland. Die Befragung fand im Frühjahr 2016 statt. Mit dieser Studie wird ein Einblick in das Denken der Deutschen geboten, aber auch die Veränderung des politischen Klimas dokumentiert.

Die politischen Einstellungen der Deutschen driften der Studie zufolge zunehmend auseinander. Während eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft rechtsextremes Denken und Gewalt zum Teil strikt ablehnt und das Vertrauen in demokratische Institutionen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen ist, seien Menschen mit rechtsextremer Einstellung immer mehr bereit, zur Durchsetzung ihrer Interessen Gewalt anzuwenden. Laut Studie gibt es dabei nur geringe Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland.

„Noch immer sind weite Teile der Bevölkerung bereit, abzuwerten und zu verfolgen, was sie als abweichend und fremd wahrnehmen“, schreiben Oliver Decker und Elmar Brähler, zwei der Studien-Herausgeber. Als ausländerfeindlich gelten im Osten 22,7 Prozent der Befragten, im Westen sind es 19,8 Prozent, bundesweit 20,4 Prozent. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es vor allem bei einzelnen Altersgruppen, besonders bei den zwischen 14- und 30-Jährigen. Im Osten sind 23,7 Prozent dieser Altersgruppe ausländerfeindlich, im Westen nur 13,7 Prozent. Die Radikalisierung zeige sich vor allem bei der Einstellung zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. „Die Ablehnung von Muslimen, Sinti und Roma, Asylsuchenden und Homosexuellen hat noch einmal deutlich zugenommen“, unterstrich Elmar Brähler. 49,6 Prozent sagten zum Beispiel, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden (2014: 47,1 Prozent). 40,1 Prozent erklärten, es sei ekelhaft, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssten (2011: 25,3 Prozent). Einen deutlichen Anstieg beobachteten die Forscher auch bei der Islamfeindlichkeit. 50 Prozent gaben an, sich durch die vielen Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen (2014: 43 Prozent). 41 Prozent halten es wie der amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump: sie sind der Auffassung, Muslimen sollte die Einwanderung nach Deutschland untersagt werden. (2014: 36,6 Prozent).

Sichtbar würden diese Einstellungen bei Anhängern von „Pegida“, die Decker als „neurechte Bewegung“ sieht. „Wer ‚Pegida‘ befürwortet, ist zumeist rechtsextrem und islamfeindlich eingestellt und sieht sich umgeben von verschwörerischen, dunklen Mächten“, sagt er. Alter, Bildungsanschluss oder Haushaltseinkommen spielten dagegen keine Rolle.
Weiter habe sich gezeigt, dass Rechtsextreme in der AfD eine neue Heimat gefunden haben. Fast 35 Prozent der rechtsextrem Eingestellten gaben an, AfD zu wählen, vor zwei Jahren waren es lediglich 6,3 Prozent. Hinzu komme: „Die meisten AfD-Wähler teilen eine menschenfeindliche Einstellung“, unterstrich Brähler. Aber auch in der Gruppe der Nichtwähler seien Vorurteile gegen Minderheiten sehr verbreitet.

Alarmierendes Fazit der Studie ist: „Das Potenzial für rechtsextreme oder rechtspopulistische Parteien ist noch größer als es die Wahlergebnisse bislang zeigen.“