Das Grundsatzprogramm der SPD fordert seit 1989, allen Migrantinnen und Migranten das kommunale Wahlrecht zu gewähren. Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, sind seit 1992 bei Kommunalwahlen wahlberechtigt. Ein Kommunalwahlrecht für alle Migrantinnen und Migranten erfordert eine Änderung des Grundgesetzes, die nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden kann. Bereits im Jahr 1993 hatten die SPD-Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission versucht, eine solche Grundgesetzänderung herbeizuführen, was aber nicht gelang. Auch in der Großen Koalition hat die Union diesen Vorschlag nicht ernsthaft geprüft, obwohl das zwischen den Partnern vereinbart war. Im Regierungsprogramm vom 2009 bis 2013 hatte die SPD diese Auffassung wieder bekräftigt und für alle Migrantinnen und Migranten, die seit mindestens sechs Jahren in Deutschland leben, das kommunale Wahlrecht gefordert. Im Jahr 2010 hatte sie dann den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28, Absatz 1) eingebracht. Auch diese Initiative ist leider an der strikten Ablehnung durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert.
Wie gehen die anderen Mitgliedsstaaten der EU mit diesem Thema um?
Seit den 1980er-Jahren ist in Europa ein eindeutiger Trend zu beobachten, das Kommunalwahlrecht für Drittstaatler einzuführen. Dabei zählt die Bundesrepublik Deutschland unter den 28 Mitgliedstaaten der EU zu einer Minderheit von zwölf Staaten, die Drittstaatlern kein Kommunalwahlrecht einräumen. In Schweden wurde dieses Wahlrecht bereits 1975 eingeführt und wird dort bis heute als ein wichtiger Schritt zur Integration gesehen. Es folgten Dänemark (1981), Niederlande (1985) und Finnland (1991). In Folge der Unterzeichnung der Maastrichter Verträge 1992 führten neun weitere Staaten ebenfalls das Kommunalwahlrecht für Drittstaatler ein: Estland (1997), Litauen (2002), Slowenien (2002), Luxemburg (2003), Slowakei (2003), Belgien (2004), Ungarn (2004), Irland (2010) und Griechenland (2010). In Portugal, Spanien und Großbritannien ist das Kommunalwahlrecht an gegenseitige, bilaterale Abkommen mit den jeweiligen Herkunftsstaaten der Drittstaatler gebunden.
Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist eine wichtige gesellschaftliche und politische Aufgabe. Als Grundelement des demokratischen Gesellschaftssystems kommt der politischen Partizipation und der Mitbestimmung vor Ort eine besondere Bedeutung zu, da viele politische Entscheidungen, die Migrantinnen und Migranten direkt betreffen, in den Kommunen gefällt werden.
In Bayern werden im März 2020 wieder Kommunalwahlen stattfinden. Fast jeder Vierte der 13 Millionen Menschen im Freistaat hat ausländische Wurzeln. In der Landeshauptstadt München haben 43,1 Prozent der Münchner einen Migrationshintergrund. Ohne Einbezug der Migrantinnen und Migranten in kommunalpolitische Entscheidungen bilden die bestehenden repräsentativen Institutionen immer weniger die realen Verhältnisse in der Bevölkerung ab. Daher ist eine Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf alle Migrantinnen und Migranten dringend erforderlich.